Radix
In völliger Dunkelheit trägt das Leben Früchte. Das Licht wird geboren.
Die Radix – Nervenfasern und gleichzeitig die Genesis einer Pflanze – bündelt Lichtstrahlen in wilder, zuckender Bewegung. Blitzartige Formationen, durch den Klang der Höhler beeinflusst, reagieren auf uns, sehnen sich nach unserer Berührung. Das pulsierende Plasma verbindet sich durch unser Tasten in Lichtbögen zu Synapsen. Diese Signalsymbiosen kreieren Neues in der Dunkelheit.
Doch die Lichtwurzeln folgen ihrer eigenen Melodie, ziehen sich zurück und verbleiben im Monolog
des Höhlers.
In der Mitte des Höhlers bildet sich eine dynamische Organisation belebter Materie – die Radix. Sie ist in der Anatomie eine Bezeichnung für wurzelartige, verankernde Anteile verschiedener Strukturen des Wurzelteils einer Pflanze und gleichzeitig die Wurzel eines Nervs, Organs oder Körperteils. Das Bild verästelter Nervenfasern spiegelt sich im leuchtenden, elektrisch leitenden Gasgemisch der Plasmasphären wieder. Plasma aus dem griech. das Gebildete, Geformte zeugt vom physikalischen Leben. Auch als vierter Aggregatzustand bezeichnet, wird dieser im Inneren der großen Planeten vermutet. Die Sterne im Weltall, darunter auch die Sonne, sowie das Innere von Planeten, bestehen beispielsweise aus Plasma. Es ist in der Regel elektrisch sehr leitfähig und durch Magnetfelder stark beeinflussbar. Auf der Erde entsteht Plasma natürlicherweise nur unter sehr speziellen Bedingungen, wie Gewitterblitze.
Flatternde Strukturen, sanfte Wellenbewegung, blitzartige Formationen durch Blau und Violett – Blitze formen sich den Weg innerhalb der Glaskugeln zum Klang der Höhler.
Das Quietschen des Zugangstores, das Bröckeln der Wände, die Tropfen der stehenden Nässe und auch das Steineklackern der Restbestände wurden als akustische Merkmale des Unterirdischen aufgenommen, bearbeitet und zuletzt in der Installation in Mehrkanaltönen an die Plasmakugeln abgegeben. Jede „Frucht“ der Radix reagiert individuell und beugt sich in dessen Gesamtheit der Kommunikation des Höhlers. In besonderen Sequenzen verharren die blitzartigen Formationen im Leuchten und locken zur Kontaktaufnahme. Mit unserer Berührung verbinden wir uns mit der Radix. Die Lichtwurzeln entladen sich in unseren Fingerspitzen, bilden lautstark neue Formen in der Dunkelheit.
Doch sie entziehen sich unserem Tasten wieder und folgen allein der Entstehungsmelodie des Höhlers. Denn nur einen Augenblick, ein kurzen Moment lang, sind wir Schöpfer des Lichts.
Sound: Andreas Möckel
Video Link:
https://www.dropbox.com/s/kch24tkxybmh8jg/Weinlich_Radix.mp4?dl=0
Radix
2019
Interaktive Lichtinstallation mit Sound
400 x 200 x 200 cm
Holzgewächs, Plasmasphären Installationsansicht 9. Höhler Biennale